Boehringer Ingelheim

Boehringer will die Pharmakrone verteidigen

Gute Zahlen aus dem ersten Halbjahr und kurz bevorstehende Zulassungen in den USA – das sind die Zutaten für einen hoffnungsvollen und sehr optimistischen Gesamtausblick des Human- und Tierarzneimittelkonzerns Boehringer Ingelheim, der sich anschickt, die Krone des größten deutschen Pharmakonzerns nach Umsatz erneut zu verteidigen.

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Der deutsche Pharmakonzern Boehringer Ingelheim ist mit soliden Zahlen und strategischem Rückenwind ins Jahr 2025 gestartet. Im ersten Halbjahr konnte das Unternehmen seinen Umsatz währungsbereinigt um 6,3 Prozent auf 14 Mrd. Euro steigern. Wesentliche Treiber des Wachstums waren erneut die erfolgreichen Humanpharma-Produkte Jardiance und OFEV, die zusammen 6,3 Mrd. Euro zum Konzernumsatz beitrugen. Unter den beiden Wirkstoffen hat Jardiance deutlich die Nase vorne.

Das Medikament zur Behandlung von Diabetes, Herzinsuffizienz und chronischer Nierenerkrankung erzielte allein 4,3 Mrd. Euro Umsatz. OFEV, das bei idiopathischer Lungenfibrose zum Einsatz kommt, trug 2 Mrd. Euro bei. Auch das kleinere Tiergesundheitssegment entwickelte sich positiv und wuchs im ersten Halbjahr dank des Parasitenmittels NexGard um 7,6 Prozent auf 2,6 Mrd. Euro. Für einen Nebensektor ein sehr stattlicher Beitrag.

Neue Therapien in den Startlöchern

Besondere Aufmerksamkeit richtet Boehringer derzeit auf zwei neue Medikamente, die kurz vor der Zulassung in den USA stehen: das Krebsmittel Zongertinib und das Lungenfibrosepräparat Nerandomilast. Beide haben kürzlich positive Zulassungsergebnisse vorgelegt und könnten noch im zweiten Halbjahr 2025 auf den US-Markt kommen – vorbehaltlich der Zustimmung durch die FDA.

Zongertinib, das für Patienten mit HER2-mutiertem Lungenkrebs entwickelt wurde, markiert Boehringers Wiedereinstieg in die Onkologie – wenn auch zunächst in einer Nischenindikation. Nerandomilast wiederum gilt als Nachfolger von OFEV und soll die Behandlung von Lungenfibrose auf ein neues Niveau heben, insbesondere im Hinblick auf Verträglichkeit und Wirksamkeit. Damit sichern sich die Ingelheimer frische Umsatzquellen im Humanpharma-Segment, während der Patentschutz von OFEV 2026 ausläuft.

Es ist die erste Vorstellung der Geschäftszahlen des neuen Vorstandsvorsitzenden, der erst in diesem Monat vom Amtsvorgänger übernommen hat. „Unser Engagement, das Leben von Generationen zu verändern, ist nicht nur eine Mission, sondern eine tägliche Verantwortung“, betont Shashank Deshpande, Vorsitzender der Unternehmensleitung und Nachfolger von Hubertus von Baumbach. „Wir machen große Fortschritte in unserer Pipeline – von Adipositas bis hin zu Leber- und Nierengesundheit – mit dem Ziel, die Standards der Versorgung neu zu definieren.“

Investitionen in Forschung und globale Produktion

Parallel zu den Produktentwicklungen baut Boehringer sein globales Produktions- und Liefernetzwerk aus. In Japan investiert das Unternehmen rund 300 Mio. Euro in den Standort Yamagata, der künftig ein wichtiges Versorgungszentrum für Asien und Ozeanien werden soll. Auch in den USA stärkt Boehringer seine lokale Präsenz – nicht durch milliardenschwere Neubauten wie viele andere Pharmagrößen (AstraZeneca, Novartis, Roche …), sondern durch strategische Partnerschaften mit Auftragsherstellern. So sichert sich das Unternehmen Produktionskapazitäten im weltweit wichtigsten Pharmamarkt, ohne große Investitionsrisiken einzugehen.

Finanzvorstand Frank Hübler erklärt: „In einem volatilen Umfeld liefern wir planmäßig ab. Während wir uns auf große Markteinführungen vorbereiten, investieren wir mehr denn je in Geschwindigkeit, Skalierbarkeit und Wirkung.“ In den kommenden 12 bis 18 Monaten sollen über zehn neue Studien der Phasen II und III starten. Boehringer hat einen langen Anlauf genommen und die eigene sehr breite Pipeline beständig weiter zur Zulassungsmarke verschoben. Das soll sich nun in den kommenden Jahren auszahlen. Allein bis 2030 sind im Bereich Humanpharma 25 Markteinführungen geplant – gestützt auf eine Pipeline mit über 50 Medikamentenkandidaten.

Dass dabei nicht immer alles nach Plan läuft, hatte Boehringer Anfang des Jahres bei einem Medikament gegen Schizophrenie erfahren müssen, das in der Phase III-Studie gescheitert war. Durch einige Zukäufe und viele Forschungskooperationen verbreitert das Unternehmen zur Absicherung die Wirkstoffforschung immer mehr und setzt mit dem Ausbau des Krebsforschungszentrums in Wien auch stärker auf dieses bisher vernachlässigte Feld. Gerade an diesem Standort betreibt der Konzern einen intensiven Austausch mit der Wissenschaft im eigens finanzierten IMP, doch auch andernorts scheut Boehringer die Zusammenarbeit mit neuen Technologieentwicklern und Start-ups nicht. Das Motto „not invented here“ gilt bei Boehringer nicht.

Das zeigt sich auch in einer ganz aktuellen Ankündigung: Boehringer Ingelheim schließt mit Re-Vana Therapeutics einen bis zu 1 Mrd. US-Dollar schweren Deal zur Entwicklung langwirksamer Augenmedikamente. Ziel ist es, durch Re-Vanas Technologie weniger Injektionen nötig zu machen. Boehringer stärke so seine junge, aber wachsende Pipeline in der Augenheilkunde, heißt es dazu.

Positive Aussichten für das zweite Halbjahr

Für die zweite Jahreshälfte sieht sich Boehringer gut gerüstet. Zwar gibt das größte pharmazeutische Familienunternehmen Deutschlands traditionell keine konkrete Gewinn- oder Umsatzerwartung bekannt, dennoch rechnet das Management mit einem Anstieg des Nettoumsatzes im Vergleich zum Vorjahr. 2024 hatte Boehringer einen Gesamtumsatz von 26,8 Mrd. Euro erzielt. Mit der Dynamik aus dem ersten Halbjahr, den anstehenden Neueinführungen und einer robusten Pipeline dürfte das Unternehmen auch 2025 seinen Status als größter deutscher Pharmakonzern behaupten, wenn auch die Zahlen von Konkurrent Bayer erst Anfang August publiziert werden.

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